Geschichte der Gemeinde Marpingen


Marpingen und seine Nachbarorte Alsweiler, Berschweiler und Urexweiler bilden seit 1974 eine Einheitsgemeinde im Landkreis St. Wendel. 255-442 Meter über dem Meeresspiegel gelegen und von rund 800 Hektar Wald umgeben, ist Marpingen heute eine typische Wohngemeinde mit hohem Freizeitwert, inmitten einer landschaftlich reizvollen und historisch bedeutsamen Gegend des Saar-Nahe-Berglandes. Diese herrliche Mittelgebirgsregion mit dem markanten Schaumberg, sanften Hügeln und idyllischen Talauen, vielgestaltigen Wäldern und Fluren sowie dem einst wichtigen Verkehrsknotenpunkt im Wareswald, wo sich jahrhundertelang die alten Handelsstraßen von Metz nach Mainz und von Trier nach Straßburg kreuzten, war schon früh besiedelt. Davon zeugen zahlreiche vor- und frühgeschichtliche Funde, darunter auch Hügelgräber aus keltischer und römischer Zeit.

Keltisch-Römische Kleinstadt

Stammten die lokalen Funde bis ins 20. Jahrhundert hinein oft aus unsystematischen Grabungen, begann spätestens mit der Gründung der TERREX gGmbH, einer archäologischen Grabungs-gesellschaft auf kommunaler Basis, zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Professionalisierung der Grabungsarbeiten. Die 2001 vom Landkreis St. Wendel und den Gemeinden Marpingen, Nonnweiler, Oberthal und Tholey gegründete TERREX (Treverorum et romanorum regionis exploratio) hat sich die Pflege und methodische Ergründung keltischer und römischer Bodendenkmäler im Kreisgebiet zur Aufgabe gemacht, wobei ein Schwerpunkt auf der Erforschung des höchst interessanten Wareswaldes am Fuße des Schaumberges liegt.

In diesem heute zwischen den Gemeinden Marpingen, Oberthal und Tholey gelegenen Gebiet siedelten in römischer Zeit etliche Menschen in einem gallo-römischen Vicus, einem ebenso stattlichen wie bedeutenden „Marktflecken“ des römischen Weltreiches.

Seit dem Jahr 2001 wurde in dem ausgedehnten Grabungsgelände vieles entdeckt und erforscht: die Struktur der Siedlung, ihre Straßen, ihre großen Wohnhäuser mit Badeanlagen, Fußbodenheizungen und Wandmalereien, die Gebäude für Handel und Handwerk und ein Gräberfeld. Besonders hervorzuheben sind dabei ein Mars-Tempel sowie ein heute als Visualisierung sichtbares Pfeilergrabmal. Das Fundspektrum umfasst Keramikscherben, Geräte, Münzen, aber auch Dinge des gehobenen Lebensstandards, z.B. Glasobjekte, Schmuckstücke und bronzene Gefäße.

Die Arbeit der Grabungsgesellschaft geht aber über eine wissenschaftlich betriebene Forschung der Geschichte dieser Region hinaus. Ein weiteres Hauptanliegen der Terrex gGmbH und ihrer Trägerkommunen ist es, über die Bewahrung, Pflege und Inszenierung des kulturhistorischen Erbes der Menschen dieses geschichtsträchtigen Landstrichs einen Beitrag zur touristischen Entwicklung der aufstrebenden Region zu leisten. Touristen können an Vorträgen, Erlebnisführungen, Workshops, Schnuppergrabungen und sogar Grabungscamps teilnehmen und so die erfolgreichen Ergebnisse der Forschung hautnah erfahren und erleben.

Zwischen Frankreich und Deutschland

Trotz der frühgeschichtlichen Siedlungspuren sind die Dörfer der Region keine Fortsetzungen der einstigen keltoromanischen Siedlungen. Der Ursprung von Marpingen, einziger „ingen“-Ort im Kreis St. Wendel, geht auf eine um das 5. Jahrhundert gegründete fränkische Siedlung zurück, während die zahlreichen „weiler-Orten“ erst im 7. bis 8. Jahrhundert entstanden.

Erstmals urkundlich erwähnt wird Marpingen im  11. Jahrhundert als „castellum Marpendinum“. Ein Lehensverzeichnis des Bischofs von Verdun um 1200 führt die Siedlung als einen zur Herrschaft der Grafen von Blieskastel zählenden Ort auf. Nach deren Aussterben fielen Alsweiler und Marpingen als Teil des Schaumburger Gebietes gegen Ende des 13. Jahrhunderts für fast 500 Jahre an das Herzogtum Lothringen. Im Gegensatz zu Marpingen und Alsweiler kamen Berschweiler und Urexweiler im Mittelalter zur Grafschaft Saarbrücken und mit dieser wiederum zur Herrschaft Ottweiler. Die Banngrenze von Marpingen gegen Berschweiler und Urexweiler bildete zugleich die Trennlinie zwischen dem lothringischen bzw. später Pfalz-Zweibrückischen Amt Schaumburg und der Grafschaft Nassau-Saarbrücken. Auf dieser Grenze, die während der Zugehörigkeit Lothringens zu Frankreich (1766 bis 1787) zugleich die Landesgrenze zwischen Deutschland und dem französischen Nachbarland bildete, stehen heute noch Grenzsteine aus dem 18. Jahrhundert mit den jeweiligen Wappen. Die spätere territoriale Zugehörigkeit der Ortsteile von Marpingen ist durch die Franz. Revolution (1789-1799) entscheidend mitbestimmt worden. Nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon (1813-1815) fielen Alsweiler, Marpingen und Urexweiler als Teil des Sankt Wendeler Landes als Entschädigung an den Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld, der daraus das Fürstentum Lichtenberg schuf und sein Gebiet 1834 als Kreis St. Wendel an den König von Preußen abtrat. Berschweiler verblieb derweil in dem zuvor geschaffenen Kreis Ottweiler.

Als Teile des nach dem I. Weltkrieg entstandenen Saargebietes und nach dem II. Weltkrieg in erweiterten Grenzen gebildeten Saarlandes wurden die vier Ortsteile der heutigen Gemeinde Marpingen 1918 und 1945 jeweils von Deutschland abgetrennt und wirtschaftlich (1945 auch politisch) Frankreich angeschlossen. Beide Male wurde der Landstrich nach Volksbefragungen wieder an Deutschland angegliedert, 1935 bei der Rückgliederung an Hitler-Deutschland sicher nicht zum Wohle der hier lebenden Menschen. Das Land, „das ‘mal deutsch und ‘mal französisch war“, wie es in einem Schlager heißt, hat sich aus den wiederholten Zeiten der Zugehörigkeit zum Nachbarland nicht nur mundartliche Eigenheiten hinsichtlich Wortschatz und Grammatik bewahrt. Geblieben ist auch ein wenig von der französischen Lebensart, dem „Savoir-vivre“, das sich vielleicht am besten in dem humoristischen Wahlspruch „Hauptsach gudd gess“ widerspiegelt.

Das deutsche Lourdes

Das „deutsche Lourdes“ im Pilgerdreieck Tholey-Marpingen-St. Wendel

In die preußische Regierungszeit (1834–1918) fallen in Marpingen besondere Ereignisse: Am 03. Juli 1876 soll die Muttergottes drei 8-jährigen Mädchen im dorfnahen Härtelwald erschienen sein. Inmitten des Kulturkampfes zwischen dem preußischen Staat und der Katholischen Kirche führten diese sich wiederholenden Vorgänge bald zu staatlichen Reaktionen und Repressalien. Sie brachten dem Dorf aber auch in kürzester Zeit ein landesweites Interesse und den Ruf, ein „deutsches Lourdes“ zu sein. Ähnliche Ereignisse im Jahre 1999 erneuerten dieses Bild. Damals wie heute ist Marpingen, das im für Marien-, Jakobs-, und Wendelinus-Wallfahrer interessanten Pilgerdreieck Tholey–Marpingen–St. Wendel liegt, das Ziel von Besuchern aus ganz Deutschland und vielen europäischen Ländern.

Heute moderne Wohngemeinde mit wachsendem Tourismus

Schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich mit dem Aufblühen der Saarkohlengruben und der Eisenindustrie eine Veränderung der Sozialstruktur angebahnt: die zuvor bäuerlichen Dörfer entwickelten sich zunächst zu Bergmannsdörfern. Mit dem wachsenden Verkehr und der sozialen Differenzierung der Bevölkerung ab 1945 wurden sie dann zu gepflegten Wohnorten, in denen auch Handel und Gewerbe beträchtlich an Bedeutung gewannen. Parallel dazu wuchsen in der modernen Wohngemeinde, die 1974 nach wechselvoller Vergangenheit aus Marpingen und seinen drei Nachbardörfern hervorging, auch die gesellschaftlichen Ansprüche und Angebote im Kultur-, Sport- und Freizeitbereich und seit der Jahrtausendwende auch verstärkt auf dem Tourismussektor.