Naturschutz vor der Haustüre – Entwicklung und Pflege des Naturschutzgebietes „Täler der Ill und ihrer Nebenbäche“
26. April 2021

Die Natur rund um unsere Dörfer ist nicht unberührt – aber sie ist wild. Und in den letzten Jahrzehnten ist sie wieder ein gutes Stück wilder geworden. Entlang unserer Bäche Ill und Alsbach und ihrer zahlreichen Zuläufe ist in der Gemeinde Marpingen und in den Nachbargemeinden eines der flächenmäßig größten Naturschutzgebiete des Saarlandes entstanden. „Wir sind stolz darauf, dass in unserer Gemeinde so viel für den Erhalt der Natur und der heimischen Tier- und Pflanzenwelt getan wird und dass unsere Bäche und ihr Umfeld unter einem besonderen Schutz stehen“, so Bürgermeister Volker Weber. „Seit der Einrichtung des Naturschutzschutzgebietes 2005 und auch schon durch die vorherige Arbeit des Zweckverbandes Illnaturierung (heute: Zweckverband Natura-Ill-Theel), hat sich die Natur in und um unsere Gewässer zum besseren gewandelt“, so der Bürgermeister.

Doch was genau hat sich rund um die Bäche in der Gemeinde getan, und wie ist der aktuelle Entwicklungsstand der Naturschutzvorhaben? Die Antworten auf diese Fragen kennt Dr. Norman Wagner, Biogeograf und stellvertretender Geschäftsführer des Zweckverbandes Natura-Ill-Theel mit seinem Sitz im heimischen Berschweiler. „Unsere Maßnahmen zeigen erste Erfolge und in mehreren Bereichen nimmt die Artenvielfalt in den sogenannten Gewässerrandstreifen zu.“, so Wagner. Dem großen Ziel, der Renaturierung der Gewässer sei man ein großes Stück nähergekommen.

Um die Bäche und ihr Umfeld zu schützen wurden zu Beginn der Naturschutzmaßnahme viele Flächen im Umfeld aufgekauft oder getauscht. Mit der Zeit entstand so ein 1045 Hektar großes. Naturschutzgebiet, wovon über die Hälfte nun im Besitz der öffentlichen Hand sind. Meist wurden die Flächen zuvor landwirtschaftlich genutzt. „Zu Beginn musste daher vor allem bei den Landwirten für unser Vorhaben geworben werden. Denn die Gewässerrandstreifen sind eine Pufferzone, die nicht bewirtschaftet werden dürfen. Düngung oder der Einsatz von Pestiziden ist nicht erlaubt und der Ackerbau im gesamten Naturschutzgebiet untersagt“, so Norman Wagner. 

Eine der ersten Maßnahmen an den Bächen der Gemeinde war die Wiederherstellung der biologischen Durchgängigkeit. Um zum Beispiel Fischen Wanderungen zwischen Laich- und Nahrungsplätzen innerhalb der Gewässer wieder zu ermöglichen, wurden Sperren wie Verrohrungen, Weiher und Teiche zurückgebaut oder aufgelöst. Um die Bäche noch näher an ihren ursprünglichen natürlichen Zustand zu bringen wurden teils rund um die Gewässer zahlreiche Bäume wie Weiden oder Erlen gepflanzt, die Schatten spenden und die Bäche kühlen, aber vor allem durch das Bewirtschaftungsverbot die natürliche Entwicklung eines Ufergehölzes wieder zugelassen. Nachdem in der Vergangenheit gerade Auenlandschaften am Rande der Bäche und Flüsse zur landwirtschaftlichen Nutzung trockengelegt wurden, wird diesen Gewässern im Naturschutzgebiet jetzt wieder Raum zur freien Entfaltung und auch Überflutung gelassen. Wiesen im Naturschutzgebiet dürfen von den Pächtern nur zu bestimmten Zeiten gemäht werden. „Künftig wollen wir hier aber noch einen Schritt weiter gehen und durchsetzen, dass rund fünf Prozent der Wiesen jährlich als Blühstreifen gar nicht mehr abgemäht werden“, so Norman Wagner. So sollen neue Rückzugsflächen insbesondere für den Insektenschutz geschaffen werden.

„Die Artenvielfalt in Tier- und Pflanzenwelt wird regelmäßig erfasst und bewertet“, erklärt Biogeograf Wagner. „Bei der Fischfauna konnten wir eine Verbesserung feststellen. Die Artenvielfalt nimmt zu. Die Biomasse, also die Gesamtzahl der Fische, geht aber zurück.“ Das höre sich zunächst widersprüchlich an, sei aber einfach zu erklären. Durch die hohe Artenvielfalt gerieten die Arten in Sachen Lebensraum und Nahrung in Konkurrenz. Statt wenigen Arten mit größerer Population gebe es jetzt viele Arten mit kleinerer Population. Durch die Naturschutzmaßnahmen fühlten sich viele Tier- und Pflanzenarten wieder heimisch in unserer Region. So findet man im Wasser wieder Fischarten wie Groppen und Bachschmerlen. An den Gewässern haben sich wieder vermehrt Insekten wie die Blauflügel-Prachtlibelle oder Vögel wie Gebirgsstelze und der Eisvogel verbreitet. Unter den Pflanzen findet sich auf extensiv bewirtschafteten (ohne größere Eingriffe des Menschen) Wiesen wieder die Orchideenart Breitblättriges Knabenkraut. Ein Star unter den wieder heimischen Tierarten ist sicherlich der Biber, der 1994 erstmals wieder an der Ill angesiedelt wurde. Heute sind die Tiere an vielen Bächen und Flüssen in der ganzen Region wieder aktiv und schaffen durch das Anstauen der Gewässer neue Lebensräume für viele Pflanzen und Tiere. Doch es gibt auch schlechte Nachrichten: „Rund um das Naturschutzgebiet geht das Insektensterben trotz unserer Bemühungen weiter und die Artenvielfalt nimmt auch hier ab. Auch bei den Vögeln und insbesondere Bodenbrütern wie etwa dem Kiebitz nimmt die Zahl der Tiere ab oder sie sind in der Region gänzlich ausgestorben. Ihnen stehen zu wenige ungenutzte Wiesenflächen zur Verfügung“, sagt Wagner. Auch bei der Wasserqualität sieht Wagner noch einigen Nachholbedarf. Die Qualität habe sich zwar leicht verbessert, das Wasser enthalte aber immer noch zu viele Nährstoffe.

Gab es zu Beginn der Naturschutzmaßnahmen oft noch Probleme mit Landwirten aufgrund der konkurrierenden Nutzungsansprüche in der Nähe der Gewässer, so sind die Probleme heute andere geworden. Ab und zu gibt es Probleme mit Anwohnern in der Nähe der Bäche, wenn z.B. Biber Bäume auf Privatgrundstücken fällen oder den Bach anstauen. Diese seien aber meist einfach zu lösen, so Wagner. Mehr Sorgen bereitet Ihm das Thema Müll in der Natur. Auch im Naturschutzgebiet hinterlassen Menschen immer wieder ihren Abfall. „Auch der Klimawandel macht den Bächen zu schaffen. Kleinere Bäche und auch Tümpel fallen im Sommer immer früher trocken und wenig Wasser bedeutet große Probleme zum Beispiel für Amphibien“, so Norman Wagner. „Auf keinen Fall dürfen die Gewässer durch Anlieger zur Wasserentnahme genutzt werden“ merkt Uli Heintz, ebenfalls Biogeograf und Geschäftsführer des Zweckverbandes Natura-Ill-Theel an. „Sie ist weder gesetzlich erlaubt und schadet, gerade im Sommer, extrem den ohnehin schon leidenden Bachbewohnern.“

„Es gibt noch viel zu tun“, ist auch Bürgermeister Weber überzeugt, „im Großen was die Begrenzung des Klimawandels angeht aber auch im Kleinen im Naturschutzgebiet direkt vor unserer Haustüre. Als Gemeindeverwaltung wollen wir uns weiterhin wo möglich für Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt stark machen und die Arbeit des Zweckverbandes Natura-Ill-Theel unterstützen.